30. April 1989
am Bethaniendamm/höhe Mariannneplatz wird ein Gelände mit Wagen besetzt und nennt sich WAGENBURG BETHANIENDAMM.
30. September 1989
Solifest zur Winterfestmachung
1990
Nach Absprache mit dem Bezirk Mitte (Ost-Berlin) zieht die Wagenburg Bethaniendamm im Sommer auf das ca. 200qm große Ufergelände an der Schillingbrücke. Irgendwann ist der Wagenplatz als „Schwarzer Kanal“ bekannt.
1991
Bezirksbürgermeister spricht „Duldung“ aus bis Baubeginn
bis 2002
ist der Wagenplatz für die 25 Bewohner_innen aber auch Gäste & Besucher_innen zu einer grünen Oase mitten in Berlin gewachsen. Es finden regelmäßig Veranstaltungen wie Kleinkunst- und Queervarités, Parties, Konzerte, Diashows, Theater und Filmvorführungen statt.
01/ 2002
Bebauung des Grundstücks ist offiziell geplant (Hochtief baut die ver.di Zentrale) ohne die Bewohner_innen darüber zu informieren. Es folgt viel Protest, zähe Verhandlungen, Pressearbeit und Aktionen.
09/ 2002
Umzug auf Ersatzgelände Michelkirchstr.20/ Köpenickerstrasse 54
Nur wenige Tage später beantragen die neuen Nachbar_innen – das Deutsche Architekturzentrum (DAZ) und die Office Grundstücksverwaltungs GmbH – vor dem Verwaltungsgericht (VG) dass der Wagenplatz geräumt wird.
10/ 2002
VG beschließt, dass das Land Berlin eine Räumung bis spätestens 30.04.2003 durchzusetzen hat.
Der Kanal legt Beschwerde beim OVG ein, die jedoch zurückgewiesen wird.
2002/ 2003
inzwischen hat eine Inhaltliche und räumliche Spaltung des Wagenplatzes stattgefunden (u.a. Konflikte zum Thema Sexismus): oberes Gelände an Michaelkirchstrasse wird ein FrauenLesbenPlatz, das untere Gelände an der Köpenickerstrasse ein gemischter Platz.
05/ 2003
Wegen eines Verfahrensfehlers muss nur des Grundstück an der Köpenicker Straße geräumt werden. Die „Gemischte Gruppe“ muss den unteren Teil des Geländes verlassen und beschließt, durch Besetzungen einen neuen Platz zu erkämpfen. Die verbliebenen 2-3 FrauenLesben an der Michaelkirchstr. wollen versuchen, auf dem oberen Platz zu bleiben.
2003
Zu den 2-3 FrauenLesben möchten trotz täglicher Räumungsandrohung 3 weitere Personen einziehen. Durch Einzugswunsch einer Transperson entstehen Diskussionen, ob FrauenLesbenplatz nun ein FrauenLesbenTransplatz wird. Nach längeren Auseinandersetzungen geschieht dies. Transpersonen nutzen im Laufe der Zeit nun vermehrt den Platz oder ziehen ein.
03/ 2004
Beseitigungsanordnung für die Michaelkirchstraße 20 durch den Bezirk
Es wird Widerspruch eingelegt, welcher abgelehnt wird, daraufhin wird geklagt
11/ 2005
Die Klage wird abgewiesen
02/ 2006
Kanal reicht Antrag auf Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein
2006
Es entstehen immer mehr Konflikte innerhalb der Wohngruppe (mittlerweile ca. 13 FLT*), u.a. zu Themen der Alltagsorganisation, des Umgangs untereinander, der politischen Ausrichtung des Wagenplatzes und des Umgangs mit der Unsicherheit durch den jahrelangen tagtäglichen Räumungsdruck … Als die Konflikte immer mehr eskalieren, kommt es zu einer Spaltung der Gruppe….und später zum Auszug vieler. Einige Zeit später beschließen die verbliebenen Bewohner_innen, den Platz von nun an als (radikal-) Queer-Wagenplatz weiterzubeleben. Die Bewohner_innen fangen mit dem mittlerweile sehr kontinuierlich gewachsenen Unterstützer_innenumfeld an, eine Projektstruktur aufzubauen, um den Wagenplatz ab sofort als öffentlichen Platz und nicht als reines (schöner)Wohnen-Projekt fortzuführen. Vertreter_innen verschiedener Nutzergruppen, interessierte Einzelpersonen, Bewohner_innen entscheiden von nun an gemeinsam im Konsens über die Nutzung von Gemeinschaftswägen, über politische und inhaltliche Strategien und treiben, z.B. durch Soliparties, gemeinsam Geld für die hohen Gerichts- und Anwaltkosten auf. Es folgen Diskussionen um den Begriff „queer“, „radikal“… Diese neu entstandene Projektstruktur nimmt immer wieder eine enorme Last von den Schultern der Bewohner_innengruppe, die durch Auszüge von Mitbewohner_innen, welche den Räumungsdruck nicht mehr standhalten konnten, zeitweise sehr klein ist.
02/ 2007
Berufung wird abgelehnt
09/ 2007
Wagenplatz Kanal feiert 17 järiges Bestehen und 5 Jahre Michaelkirchstraße
Der Platz ist mittlerweile ein Queer-Wagenplatz, wo 20 Bewohner_innen aus verschiedenen Ländern wohnen.
Wir machen Voküs, Solibrunches, Freiluftkinos, Queer-Varietés, Demos, Runde Tische mit Politiker_innen, Fahrradwerkstatt, Konzerte, Aktionen, Vernetzung, Plena und teilen uns die anfallenden Arbeiten in der Küche und beim Holzmachen. Bei den Shows, Kinos und Konzerten, die keinen Eintritt kosten, ist uns ein queerer und antirassistischer Bezug wichtig.
2003-2010
Um den Platz mit politischem und kulturellen Leben zu füllen, Geld für die hohen Anwaltskosten aufzutreiben, eine solidarische Öffentlichkeit zu schaffen und sich politisch zu positionieren, fanden statt:
– monatliche Großevents mit um die 500 Besucher_innen auf dem Wagenplatz (Entzaubert-Filmfestivals, Queervarietes, Konzerte…)
– viele politische Vernetzungen und gemeinsame Aktionen (z.B. mit der Yorck 59 und später Bethanien, der Flüchtlingsinitiative F.I.B., WomenInExile, verschiedenen queer-Gruppen)
– Organisation und Teilnahme an Demos
– Queer against Nazis Mobilisierung
– wöchentliche Voküs
– Platzbesetzungen leer stehender Gelände
– Fahrradselbsthilfewerkstatt
– mehrere Filmprojekte über den Wagenplatz
– 3 x Stay queer & Rebel Aktionstage
– Mobilisierung Queers against G8
– bundesweite Wagentage
– Infoveranstaltungen
– kontinuierliche Pressearbeit
2006–2010
Alle paar Monate finden abwechselnd im Abgeordnetenhaus und im Bezirksamt Mitte Runde Tische mit dem Vermieter ALEX Bau GmbH und Politiker_innen statt (Vertreter_innen von Bezirksämtern der Parteien PDS, Grüne, SPD, von Baustadträt_innen, Bürgermeistern, Vertreter_innen des Abgeordnetenhauses und des Bausenats ).
Die Forderungen des Wagenprojektes lauten u.a.: keine Räumung oder aber ein angemessenes Ersatzgelände und eine Öffnungsklausel zur Legalisierung des Wagenlebens. Im Anschluss an die runden Tische luden Vertreter_innen und Unterstützer_innen des Wagenplatzes immer zu einem Pressegespräch ein, um der Öffentlichkeit die Ergebnisse der Verhandlungen mitzuteilen und begleiteten diesen Tag wiederholt durch parallel stattfindende Platzbesetzungen, Kundgebungen, Soliaktionen, um den politischen Druck zu erhöhen.
09/ 2009
Im September 2009 steht wieder einmal eine Räumung, diesmal durch Bebauungspläne des Geländes seitens des Vermieters Hochtief/ Alexbau, kurz bevor. Während bundesweiter Wagentage auf dem Kanal, kommt es zu einer Platzbesetzung eines leer stehenden Liegenschaftsfonds-Geländes in der Adalbertstrasse. Den Politiker_innen des zur gleichen Zeit stattfindenden runden Tisches wird mitgeteilt, dass der Gesprächsort umverlegt wird zu der Platzbesetzung. Ebenfalls zeitgleich hängt eine Soligruppe ein riesiges Transparent von der Siegessäule herab. Durch große Presseaufmerksamkeit dieser verschiedenen Aktionen, sieht sich Herr Lippmann vom Liegenschaftsfond (zum ersten Mal seit so vielen Jahren!) gedrängt, eine Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und eilt zu der Platzbesetzung.
In den folgenden Monaten kommt es nun zu sehr vielen Treffen, Verhandlungen und Besichtigungen über mögliche Ersatzgelände vom Liegenschaftsfonds….die aufgrund der Lage oder Größe der Grundstücke alle nicht in Frage kommen….
…bis im November 2009 das Gelände an der Kiefholzstrasse 74 zur Zwischennutzung angeboten wird. Die Bezirkspolitiker_innen aus Neukölln werden stinksauer, fühlen sich durch diese Ankündigung übergangen und es ist offensichtlich, dass der Senat die Duldung an diesem neuen Standort angeordnet hatte.
Aufgrund des sehr früh eintretenden und strengen langen Winters beschließt das Projekt, den Umzug auf März 2010 zu verlegen
03/ 2010
Dank einer sehr großen solidarischen Unterstützung und einer aufwändigen, gut organisierten Vorbereitung während der kalten Jahreszeit, kann innerhalb von zwei Wochen der gesamte Platz mit all seinen Wägen und einer großen Infrastruktur nach Neukölln umziehen.
2010-2011
Der erwachende Frühling im Birkenwäldchen, gekoppelt mit dem attraktiv erscheinenden 3 Jahres-Zwischennutzungsvertrag spricht sich schnell über Berlin hinaus herum und so bekommen die wenigen Bewohner_innen, die nach all den Jahren Räumungsstress übriggeblieben sind, ungewohnt viele Einzugsfragen. Dies holt alte Diskussionen hervor und zieht einen lang andauernden Prozess nach sich über die Frage, wie die Struktur der Bewohner_innengruppe in Zukunft gewünscht wird (z.B. Regelung der Probezeit, kein weiterer Einzug von Weißen….). Außerdem entsteht ein neuer Raum, ohne ständigen Räumungsstress, intensiver über Strukturen des Projektes (z.B. in Bezug auf Klassismus, Rassismus, Transphobie…) zu reflektieren.
2012
ca. 1 Jahr vor Ende des Zwischennutzungsvertrag wenden wir und an en Liegenschaftsfonds um über eine Fortsetzung des Vertrags zu verhandeln.
12/ 2016
LiFo sendet einen Vertragsentwurf inkl. Massiver Steigerung der Miete. In den Verhandlungen vor dem Umzug war davon nie die Rede.
03/ 2013
Der Zwischennutzungsvertrag endet ohne dass es eine Einigung über einen neuen Vertrag gibt. Die neu geforderte Miete können wir nicht aufbringen und LiFo bleibt bei der Forderung.
2013
Während wir versuchen Unterstützung aufzubauen, um eine politische Lösung für einen tragbaren Mietpreis zu erreichen, handeln wir mit LiFo einen Übergangsvertrag aus indem wir von uns aus mehr Miete (jedoch nicht die geforderte Höhe) anbieten.
Auch der Übergangsvertrag endet im Oktober ohne Einigung auf neue Vertragsbedingungen.
02/ 2015
Am Abend vor einem Gesprächstermin sendet LiFo uns einen Vertragsentwurf als „unterschriftsreif“, in dem rassistisch motivierte Paragrafen enthalten sind. So soll die „Unterbringung von Flüchtlingen und anderen Wohnungslosen Personen“ Grund für eine fristlose Kündigung sein.
Gegen diesen Entwurf protestieren wir öffentlich, in der Presse und auf Demos und fordern LiFo auf, diesen Punkt zu erklären.
05/ 2015
LiFo (ab jetzt BIM – Berliner Immobilien Management GmbH) schickt einen neuen Vertragsentwurf mit selbem Inhalt, jetzt aber mit Gesetzesformulierungen umschrieben. Diesen Vertrag weigern wir uns zu unterschreiben.
Außerdem verlangen wir eine Stellungnahme des LiFo zu der rassistischen Intention des Vertragsentwurfs.
07/ 2015
Der Name des Projekts ist radikal queer Wagenplatz Kanal
08/ 2015
Wir statten zusammen mit Unterstützer_innen der BIM einen Besuch ab und fordern erneut, die rassistischen Paragrafen aus dem Vertrag zu nehmen.
Auf diese erneute Forderung gibt es bisher keine Antwort der BIM.
12/ 2015
In der Presse taucht zum ersten Mal unsere Adresse in einer Liste möglicher Standorte für neue Geflüchteten-Lager auf.
02/ 2016
In Zeitungen tauchen immer mehr Listen auf, in denen unsere Adresse als Standort einer sogenannten „MUF“ (Modulare Unterkunft für Flüchtlinge) eingetragen ist. Eine offizielle Information darüber an uns gibt es bisher nicht.